Stillen richtig beginnen:
Wenn wir mal ganz ehrlich sind, ist die erste Zeit mit einem Neugeborenen eine ganz „besondere“ Zeit. Ja so hört man das immer… Das ist aber leider nicht immer eine durchwegs positive Erfahrung für die frisch gebackenen Eltern. Denn diese Zeit ist geprägt durch ein Auf und Ab mit wenig Schlaf, vielen Ausscheidungen und Gebrüll, das man nicht versteht. Daher „Aller Anfang ist schwer“…
Wir Hebammen wollen helfen, damit du die ersten Tage und Wochen mit deinem Baby ungestört genießen kannst und ihr euch in aller Ruhe kennenlernen könnt.
Deswegen haben wir ein paar Tipps zum Stillen vorbereitet, um dich in dieser Phase zu unterstützen und den Einstieg zu erleichtern.
Achte auf frühe Stillzeichen.
Woran erkenne ich überhaupt, dass mein Baby Hunger hat? Gerade in der ersten Zeit ist es sehr schwer, zu unterscheiden, was ein unruhiges oder weinendes Baby gerade braucht. Wird das Baby unruhig, öffnet den Mund, saugt oder schmatzt vielleicht, dreht den Kopf, sucht die Brust, führt die Hand zum Mund … können das frühe Stillzeichen sein!
Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dein Baby anzulegen. Damit könnt ihr gemeinsam und in Ruhe die richtige Position finden und dein Baby kann die Brust ohne Stress gut fassen.
Achte hier auf einen weit geöffneten Mund beim Baby, damit es die Mamille (=Brustwarze) und auch etwas Warzenvorhof gut erfassen kann.
Gerade in den ersten Tagen solltest du dein Kind bei jeglichen Stillzeichen sofort anlegen und nicht warten, bis es schreit. Mindestens 8x, besser 10-12x in 24 Stunden soll ein Neugeborenes hier an die Brust – so kann man auch die Milchbildung bestmöglich anregen und in Fluss bringen. Denn in den ersten Tagen würden die „Kleinen“ oft das Trinken verschlafen und dann nehmen sie zu viel ab – mehr als 7% in der ersten 5 Tagen sollen es nämlich nicht sein. Das bedeutet, dass du dein Baby vielleicht auch mal aufwecken musst zum Stillen, selbst wenn es gerade gar nicht begeistert davon ist und lieber schlafen möchte. ????
Wenn dein Baby doch mal schreit… tief durchatmen und mit Geduld immer wieder an die Brust bringen, bis es trinkt. In den ersten Tagen müsst ihr beide lernen, wie das Stillen funktioniert, denn ihr habt das ja vorher noch nie gemeinsam gemacht. Es wird vielleicht nicht immer gleich klappen, aber mit Geduld und dran bleiben kommt ihr bestimmt ans Ziel.
Lieber öfter stillen als länger.
Babys haben keinen großen Magen, daher sind kleine Mahlzeiten gerade am Anfang besser für sie. Damit sie dennoch angenehm satt werden, trinken Babys eben häufiger. Deswegen sind bis zu 12 Stillmahlzeiten und in seltenen Fällen sogar noch mehr in 24 Stunden völlig normal.
Das spielt mit dem Körper der Mutter perfekt zusammen. Jedes Mal Stillen regt bei der Mutter nämlich die Ausschüttung des Milchbildungshormons Prolaktin an und das stellt die Bestellung der Milchproduktion für die nächste Mahlzeiten sicher und hilft auch bei der Steigerung der Milchmenge, die sich immer dem Bedarf anpasst. Angebot und Nachfrage – wie am freien Markt. ????
Such dir einen ruhigen und bequemen Platz zum Stillen.
Gerade beim ersten Kind empfehlen wir Hebammen den Müttern, zum Stillen – zumindest am Anfang – eine ruhige, angenehme Umgebung aufzusuchen. Zu viele Zuseher und Trubel lösen sehr oft Unsicherheit und Unruhe während des Stillens aus. Mit einem guten Rückzugsort können Ablenkungen vermieden werden und du kannst dich voll und ganz auf dein Baby konzentrieren. So ist das Stillen für Mutter und Kind ein schönes Erlebnis. Zieh dich also gerne jederzeit zurück, auch wenn gerade Besuch da ist oder du unterwegs bist. Alle werden es verstehen.
Gönn dir tagsüber Pausen.
Für eine gute Stillbeziehung ist es auch förderlich, wenn du auch bei Tag Ruhepausen machst. In unserer recht schnelllebigen Zeit tendieren Mütter oft dazu, dass sie die Zeit, in der das Baby schläft, für alles Mögliche nützen wollen. Stattdessen empfehlen wir: Nütz diese Zeiten, um dich zu erholen, Pause zu machen, vielleicht sogar dich tagsüber etwas hinzulegen, um die kurze und vielleicht etwas unruhige letzte Nacht auszugleichen oder etwas vorzuschlafen!
„Dauerstillen“ am Abend gelassen nehmen.
In den ersten Tagen schläft und trinkt das Baby – das sind seine Hauptaufgaben. Manchmal hat das Baby unruhigere Phasen – dann hat es vielleicht momentan einfach mehr Hunger, verlangt mehr Zuwendung oder hat einen Wachstumsschub. In den meisten Fällen zeigt sich dies in den Abendstunden, denn das Baby verlangt dann immer wieder nach der Brust. Durch dieses häufige Anlegen oder auch Dauerstillen (im Fachjargon: „Clustern“) wird deinem Köper signalisiert (mehr) Milch zu produzieren, die dein Baby braucht. Dein Baby gibt also eine Milchbestellung für den nächsten Tag auf. Zusätzlich beruhigt Stillen das Baby und hilft gerade am Abend in den Schlaf zu finden. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern völlig normal.
Nimm solche Dauerstill-Phasen möglichst gelassen, stell dich auf einen „Kuschel“- Abend mit deinem Baby ein. Stillen bietet nicht nur Nahrung, sondern auch Geborgenheit und vermittelt ein Gefühl von Sicherheit.
Sechs nasse Windeln als einfacher Check, ob das Baby sicher genug Milch bekommt.
Wenn dein Baby ab dem vierten Tag nach der Geburt sechs nasse/ volle Harn-Windeln pro Tag hat, dann bekommt es genug Nahrung. Mit diesem einfachen Check musst du dir keine Sorgen mehr machen, ob dein Baby auch wirklich genug trinkt. Übrigens sollte dein Baby nach dem ersten Tag im Schnitt mindestens drei Darmentleerungen täglich haben und der Stuhl sollte mit Übergängen vom schwarzen Mekonium (=Kindspech) zum gelblich, orange-braunen Muttermilchstuhl wechseln.
Faktencheck: Die meisten Neugeborenen verlieren in den ersten paar Tagen nach der Geburt an Gewicht. Hierfür haben sie sich im Bauch schon Reserven angefuttert. Das ist also völlig normal und kein Grund zur Sorge. Die meisten verlieren rund 5 bis 7 Prozent ihres Geburtsgewichts, manche verlieren bis zu 10 Prozent. Fast alle Babys haben ihr Geburtsgewicht jedoch nach 10 bis 14 Tagen wieder erreicht und das ist dann auch der internationale Standard.
Stillen richtig beginnen: Gönn‘ dir Hebammen-Hausbesuche im Wochenbett.
Der erste Hausbesuch der Hebamme im Wochenbett steht meist im Zeichen des Kennenlernens und der vielen neuen Eindrücke in der ersten Zeit mit dem Baby. Das Stillen ist sicher eines der größten Themen bei dieser Visite. Im Krankenhaus hattest du jederzeit Hilfe um dich – zu Hause braucht es dann auch eine kompetente Ansprechperson, die bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite steht.
>> Finde eine Hebamme in deiner Nähe, die Hausbesuche im Wochenbett anbietet.
Hausbesuche der Hebamme geben einfach Sicherheit und finden sogar bei dir zuhause statt – das bedeutet du musst nicht wieder alles einpacken und losziehen um in eine Ordination zu kommen. Die Hebamme kommt zu dir!
Umso besser, dass man sich die Hebammenvisiten und damit auch eine Stillberatung sicher leisten kann – denn Hebammen-Betreuung im Wochenbett ist eine Kassenleistung in Österreich und somit für alle zugänglich.
Informier dich gleich und zeitgerecht, damit du deine „Wunsch-Hebamme“ auch sicher bekommst…
> Mehr über Stillen und die Beratung bei einem Hebammen-Hausbesuch erfahren.
Hilfe holen und annehmen.
Mütter haben oft den Anspruch perfekt sein zu müssen, alles richtig zu machen und dabei noch gut auszusehen. ABER Perfektionismus hat in dieser Phase absolut nichts zu suchen. Lass den Stress, perfekt sein zu müssen, an dir vorüberziehen und nimm es gelassen. Ob der Boden jetzt frisch gesaugt ist, oder von Staub überzogen, kann dir egal sein. Davon wird niemand krank. Sollte es dich doch stören – Hol dir Hilfe. Zieh dich ins Schlafzimmer zurück und lass Oma, Tante oder sonst wen saugen. Natürlich kommt auch dein Partner in Frage, aber der soll sich doch gerne auf dich konzentrieren. Du bemutterst das Baby und er bemuttert dich. Das wär‘s doch. So sollte das sein. Lass jemand anderen die Wäsche machen und verzichte auf Make up, das sowieso niemand sieht, weil du ja zuhause bleiben sollst, um dich auszuruhen. Gib dein Kind kurz deinem Partner/ deiner Partnerin und geh in Ruhe duschen oder Zähne putzen. Auch wenn es ein paar Minuten brüllt, wird es emotional und körperlich keinen Schaden nehmen. Es tut nur so… ????
Ganz am Ende soll noch gesagt werden…
Nimm insgesamt die erste Zeit einfach, wie sie kommt, sieh dem Ganzen gelassen entgegen und mach das Beste draus. Hilfe darf und soll gerne angenommen werden, sofern sie hilfreich ist. Blöde und dumme Tipps, die dich verunsichern, lässt du lieber ungehört. Bei Fragen und Problemen wende dich gerne vertrauensvoll an deine Hebamme. Sie wird dir zur Seite stehen und die richtige Antwort parat haben.
Alle Informationen in diesem Blog basieren auf fundiertem Hebammenwissen und den ILCA Leitlinien.